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Brachyzephalie
Definitionen
Mensch
In Meyers Taschenlexikon1) wird die Brachyzephalie definiert als:„[grch.] die (Kurzköpfigkeit, Brachykranie, Kurzschädeligkeit), Kopfform, deren größte Breite mindestens 80 % der Länge beträgt, im Ggs. zur Dolichozephalie (Langköpfigkeit), Dolichokranie (Langschädeligkeit), bei der die größte Breite 75 % der Länge nicht übersteigt.“
Im Online-Lexikon der Biologie2) wird aus der Anthropometrie über den Längen-Breiten-Index (LBI) erläutert: „mit 100 multiplizierter Quotient aus größter Breite und Länge eines menschlichen Schädels bzw. Kopfes.“. Berechnet wird der LBI nach der Formel: Kopfbreite × 100 / Kopflänge. Als Indexwerte für den Schädel bzw. Kopf (in Klammern), bezogen auf den männlichen menschlichen Schädel, werden die folgenden angegeben:
- unter 75: Langschädel oder Dolichokrane
- (unter 76: Langkopf oder Dolichokephale)
- 75–79,9: Mittellangschädel oder Mesokrane
- (76–80,9: Mittellangkopf oder Mesokephale)
- ab 80: Kurzschädel oder Brachykrane
- (ab 81: Kurzkopf oder Brachykephale)
Katze
Farnworth et al., 20183) stellten in einem Fragebogen zur Beurteilung der Kopfformen Katzenbilder zur Verfügung, anhand derer die befragten Veterinäre die Kopfform bewerten sollten. Die Bewertung erfolgte mittels einer Skala, deren Werte auf der Zuordnung eines Bildes beruhte:
- 1 = extreme brachycephaly (BC) (having the shortest muzzle possible);
- 2 = moderate BC;
- 3 = mild BC;
- 4 = mesocephalic;
- 5 = mild dolichocephaly (DC);
- 6 = moderate DC;
- 7 = extreme DC (having the longest muzzle possible).
Eine konkrete Definition für die Brachyzephalie der Katze existiert nicht, eine Zuordnung erfolgt über Rassen.
Hund
Wiesner & Ribbeck, 20004) definierten die „Brachyzephalie“ als: „Vorhandensein eines zu kurzen Kopfes, bei Hunden als Mopskopfbildung bezeichnet“ und der „Brachyzephalus“ als „Kurzkopf; der Kopf ist breiter als lang.“
5) veröffentlicht, in dem ein „kraniofaziales Verhältnis“ für die Zucht von Hunden Anwendung findet. Definiert ist es als Quotient der Länge der Nase des Hundes, gemessen von der Nasenspitze bis zum „Stop“, geteilt durch die Länge des Schädels des Hundes, gemessen vom „Stop“ bis zum Hinterhauptbein (siehe Abbildung 1). Es darf nicht mit Hunden gezüchtet werden, wenn ein Tier eine relative Nasenverkürzung mit einem kraniofazialen Verhältnis von weniger als 0,3 aufweist. Die relative Nasenverkürzung, die auch als „kraniofaziale Ratio“ (CFR) bezeichnet wird, ist eine Zahl, mit der sich der Schweregrad einer „Brachyzephalie“ bei Hunden quantifizieren lässt. Je größer der CFR, desto größer ist die Nasenlänge im Vergleich zur Schädellänge. Als Referenz: Das kraniofaziale Verhältnis eines Wolfes beträgt 1,0. Hunde mit einem CFR von 0,5 und mehr gelten für dieses Merkmal als gut, Hunde mit einem CFR von 0,3 bis 0,5 als zufriedenstellend und Hunde mit einem CFR von weniger als 0,3 („extreem brachycephaal“) als unzureichend.
Am 24.08.2023 wurde ein Gesetz des Ministeriums für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität des Königreichs der NiederlandeKaninchen
Abbildung 2 ist die Aufteilung des Schädels eines Kaninchens in Hirn- und Gesichtsschädel des Kaninchens dargestellt. Im Gegensatz zu Katzen und Hunden verfügen Kaninchen als Pflanzenfresser im Ober- und Unterkiefer jeweils über einen zahnlosen Bereich, der „Diastema“ genannt wird. Dort befinden sich bei Fleischfressern die Fang-/Eckzähne. Katzen gelten unstrittig als Fleischfresser, ebenso Wölfe als Vorfahren der Hunde. Die domestizierte Form des Wolfes hat allerdings einige, genetisch nachweisbare Anpassungen an die Nahrung des Menschen erfahren6) und könnte heute auch als „Allesfresser“ bezeichnet werden.
InEs gibt eine sehr große Fülle an Literatur zu Themen wie „Kurz-/Rundköpfigkeit“ und „Zwergwuchs“, in der bestimmte Kaninchenrassen als „brachyzephal“ bezeichnet werden, allerdings existiert in keiner ein Verweis auf einen schlüssigen Nachweis bzw. eine Evidenz für die Behauptungen. Insbesondere die Verbindung eines „Zwergwuchses“, „Brachyzephalie“ und „Brachygnathia“ wird auch in jüngster Literatur häufig erwähnt, obwohl bekannt ist, dass keine genetische Verknüpfung zwischen diesen existiert.
Eine konkrete Definition für die Brachyzephalie bei Kaninchen existiert nicht, eine Zuordnung erfolgt subjektiv.
Fiorello & German, 19977) untersuchten morphologische Unterschiede der Schädel im Wachstum von drei verschiedenen Kaninchenrassen: „Flemish Giant“ (entspricht Deutsche Riesen), „New Zealand White“ (Weiße Neuseeländer) und „Netherland Dwarf“ (entspricht Farbenzwergen). In dieser Arbeit unterschied sich das endgültige oder adulte Verhältnis der vorderen zur hinteren Schädellänge nicht signifikant zwischen den Weißen Neuseeländern und den Riesenkaninchen. Es gab auch keinen signifikanten Unterschied in der Skalierung (Proportionen) während des Wachstums zwischen diesen beiden Rassen. Die Zwergkaninchen hingegen wiesen etwas andere Proportionen auf als die Weißen Neuseeländer. Ihre Vorderschädel waren sowohl im Erwachsenenalter als auch während des Wachstums relativ kürzer. Obwohl der vordere Teil des Schädels bei allen Rassen absolut schneller wuchs als der hintere Teil, wuchs der vordere Teil bei den Zwergkaninchen relativ langsamer als bei den Weißen Neuseeländern. Das gleiche Muster zeigte sich bei den beiden anderen Beziehungen, die den vorderen Schädel betreffen. Sowohl die Vergleiche anhand der adulten Proportionen als auch die ontogenetischen Beziehungen deuten darauf hin, dass die Vorderschädel der Zwerge breiter waren als die der Weißen Neuseeländer, sowohl in Bezug auf die gesamte Schädellänge als auch auf die Länge des Vorderschädels. In Bezug auf den hinteren Schädel sind die Zwergkaninchen „proportionierte Zwerge“; sie sind verkleinerte Weiße Neuseeländer und ähneln jugendlichen Weiße Neuseeländer. Sie durchlaufen dieselbe Wachstumskurve wie diese, aber sie hörten an einem früheren Punkt dieser Kurve auf. Dies galt nicht für den vorderen Schädel. Die Zwerge haben im Vergleich zu den Weiße Neuseeländern ein relativ kürzeres und breiteres Gesicht, was für alle untersuchten Verhältnisse zutraf. Das Wachstum der Zwergkaninchen hat nicht einfach an einem früheren Punkt der Entwicklung aufgehört, sondern die Veränderung war viel tiefgreifender. Die Schädelbreite der Zwerge wuchs relativ schneller als die der Weiße Neuseeländer. Die Zwergkaninchen waren keine „proportionierten Zwerge“ im Hinblick auf den vorderen Schädel, aber sie ähnelten jugendlichen Weiße Neuseeländern. Es ist möglich, dass diese Ähnlichkeit mit jugendlichen Kaninchen normaler Größe ein künstlich ausgewähltes Merkmal ist, da die Züchter bestrebt sind, „niedlichere“ Tiere zu züchten, die als Haustiere begehrter sind. Der vordere Schädel ist also der Ort, an dem die tiefgreifendsten Formunterschiede zwischen den Weiße Neuseeländern und den Zwergkaninchen auftreten.
In Fontanesi, 20218) heißt es zu Kopfformen des Kaninchens: „Skull shape variability is evident comparing different breeds. In particular, Lop breeds have a typical short skull morphology, resembling brachycephaly, which increases the risk of dental problems (Böhmer and Böhmer, 2017)9). General skull form was studied by Suchalla (1943)10) by analyzing Fl, F2 and backcrossed rabbits obtained by crossing parental animals of a small breed and of a lop-eared large breed. Heredity of 27 measured skull traits was typically polygenic with complex interactions between the different parts of the skull.“
In der erwähnten Arbeit von Böhmer und Böhmer, 201711) wurden die Schädel von 12 Wildkaninchen und 12 Hauskaninchen unbekannter Rasse miteinander verglichen - Widderkaninchen (Lop-breed) wurden in der gesamten Arbeit nicht erwähnt. In Bezug auf kurze Köpfe wurde von Böhmer, 2017 angemerkt: „In accordance with the breeding for “cuteness” (concept of baby schema, “Kindchenschema”), the present analysis reveals that the skull shape is generally more quadratic in domestic rabbits, whereas wild rabbits tend to have a long and flat skull.“ Die Feststellung ist etwas widersprüchlich, weil Kaninchen nicht generell wegen eines „baby schema, „Kindchenschema“ gezüchtet wurden, sondern ursprünglich als Nutztiere (Fleisch, Fell). Zudem fehlt eine Rassezuordnung in der Arbeit. Die Rassezuchtkaninchen von früher existieren heute noch, Tiere mit extremen Ausprägungen eines Phänotyps stammen in der Regel aus unkontrollierten Vermehrungs- oder Hobbyzuchten. Weiter hieß es in der Arbeit: „On the one hand, selective breeding for extremely short crania in dwarf rabbits is sometimes accompanied with the occurrence of extremely short skulls (brachygnathic rabbits with a shorter maxillary diastema and secondary congenital incisor malocclusion). On the other hand, it has been proven that diet has a significant influence on skull morphology as well (phenotypic plasticity).“12) Die Zucht auf kurze Schädel hat beim Kaninchen nichts mit der Brachygnathia superior zu tun, weil kein genetischer Link bzw. eine Verknüpfung zwischen „Brachycephalie“ und „Brachygnathia“ gibt. Die „Brachygnathia“ verursacht eine Verkürzung des Diastemas, woraus eine Verkürzung des Schädels folgt.13)14) In der angeführten Arbeit von Suchalla, 194315) wurden Ergebnisse der Arbeit auszugsweise folgendermaßen zusammengefasst: „Innerhalb der Familie der Leporiden herrscht das Prinzip gleicher kraniologischer Unterschiede zwischen Arten und Rassen. Charakteristische Hermelinschädelformen resultieren aus einem Symptomenkomplex, dessen Einzelwirkungen auf Zwergwuchs- und Kraniosynostose-Faktoren zurückgeführt werden. Widderschädel zeichnen sich durch eine relativ einheitliche Formgebung aus. Die Sagittalumrissformen beider Rassen werden in der Bastardierung kombiniert bzw. gesprengt. Komplexe Vererbung einerseits und Spaltung sagittaler Umrissformen andererseits dürfte die wahrscheinlichste der morphologischen Befunde an Bastardschädelumrissen sein.“
Nach Geiger et al., 202116) gelten drei Glires-Arten als alte Haustiere: die Hausmaus (Mus musculus; Linnaeus, 1758 f. domestica), das Meerschweinchen (Cavia aperea; Erxleben, 1777 f. porcellus) und das Kaninchen (Oryctolagus cuniculus; Linnaeus, 1758 f. domestica). Nur bei bestimmten Stämmen, Varietäten und Rassen von Kaninchen sei ein verlängerter Unterkiefer eine relativ häufig auftretende Fehlbildung, die zu Zahnfehlstellungen führt, während dieser Zustand bei Meerschweinchen gelegentlich aufzutreten scheint (der „verlängerte Unterkiefer ist nicht korrekt, weil tatsächlich der Oberkiefer auf Grund eines verzögerten Wachstums verkürzt ist). Die kleinsten unter den Hauskaninchenrassen wiesen eine kurze Schnauze im Verhältnis zum Hirngehäuse auf und könnten wahrscheinlich aufgrund ihrer im Vergleich zu größeren Formen relativ kurzen Schnauze als „brachyzephal“ eingestuft werden, während das Hirngehäuse proportional zur Größe wächst („allometrische Brachyzephalie“). Zu beachten sei, dass es keine Studie gibt, die diesen Zwergrassen explizit den Begriff „brachyzephal“ zuordnet: „Note that there has been no study explicitly assigning the term “brachycephalic” to these dwarf breeds.“. Eine insgesamt relativ kurze Schnauze unterscheidet sich von der “Brachygnathia“, d. h. einer überproportionalen Verkürzung des Oberkiefers im Verhältnis zum Unterkiefer, die allgemein als Pathologie bei Hauskaninchen angesehen werde und kein anerkanntes Merkmal einer Kaninchenrasse ist. Allerdings würden hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) „Zwergkaninchen“ mit weniger als 1,5 kg Körpergewicht und etwa 3,5 cm Ohrlänge als anfällig für Brachygnathia superior beschrieben, die als Synonym für „Brachyzephalie“ angesehen werde. Zu den Zwergkaninchenrassen gehörten z. B. Polnische und Niederländische Zwergkaninchen. Eine überproportionale Verkürzung des Oberkiefers wurde jedoch auch bei einigen Stämmen verschiedener (nicht nur Zwerg-) Kaninchenrassen im Labor festgestellt. Obwohl gezeigt wurde, dass der Winkel zwischen Gesicht und Hirnschale bei Hauskaninchen variabel ist, zeichneten sich Kaninchen im Allgemeinen durch „Klinorhynchie“ aus und dem Wissen der Autoren nach wurden „Airorhynchy“ oder „Katantognathie“ bei keiner Kaninchenart oder -rasse berichtet. In einer Liste alter domestizierter Arten, bei denen Rassen/Varietäten mit stark verkürzter Schnauze bekannt sei und bei denen ein solcher Phänotyp nicht nur gelegentlich auftrete, wurden folgende folgende Zwergkaninchenrassen aufgeführt:
- Polish (Hermelin)
- Netherland Dwarf
- “Dwarf Rex” (Rexzwerg)
- “Dwarf fox” (Fuchszwerg).
Anhand der Vermessungen von CT-Aufnahmen einer Stichprobe von Wildkaninchen und Rassekaninchen („Klein Chinchilla“, „Hermelin“, „Schwarzloh“, „Holländer“, „Russe“ und „Angora“) wurde von Geiger et al., 202217) festgestellt, dass bei den Hauskaninchen die Abmessungen des Gehirns bei kleinen Kaninchen überproportional groß waren, während die Gesichtslänge proportional zur Körpergröße skalierte. Dieses Muster war besonders auffällig bei der kleinsten der untersuchten Rassen, den Hermelin-Kaninchen. Dieses Skalierungsmuster würde zu ähnlichen Veränderungen der Schädelproportionen beitragen, wie sie bereits beschrieben wurden 18). Obwohl diese Skalierungsbeziehungen bei kleinen Hauskaninchen zu relativ kurzen Hirnschädeln führen (und damit zu einem Muster, das als „allometrische“ Brachyzephalie beschrieben werden könnte), scheint dies lediglich das Ergebnis einer negativ allometrischen Skalierung des Hirnschädels zu sein.19)
Anmerkung: in ausländischen Arbeiten werden oft Tiere genutzt, die nicht dem deutschen Rassestandard des ZDRK entsprechen. Gemäß diesem beträgt die ideale Ohrlänge von Farbenzwergen und Hermelinkaninchen 5,0 - 6,0 cm (je nach Größenrahmen)20) im Vergleich zu Wildkaninchen mit 6,0 - 8,2 (je nach Größenrahmen)21).
Darstellungen von Tierärzten
Böhmer, 201122) stellte u. a. folgendes fest: „Die maxilläre Brachygnathie findet sich bevorzugt bei Zwergrassen mit einem Gewicht von weniger als 1,5 g sowie bei kleinwüchsigen Kaninchen mit Hängeohren23)24)25)26)27). Durch die Züchtung besonders kleiner Kaninchenrassen, deren Tiere ein kurzes, rundes Köpfchen (Brachyzephalie) aufweisen und damit dem Kindchenschema entsprechen, verbreitete sich diese kongenitale Missbildung zusehends unter der Kaninchenpopulation. Mit fortschreitender Längendiskrepanz zwischen Maxilla und Mandibula okkludieren die Schneidezähne schließlich überhaupt nicht mehr und wachsen immer länger werdend aneinander vorbei.“ Mit der Aufführung zahlreicher Quellen wird der Eindruck erweckt, dass es viele belastbare Nachweise für die getroffenen Feststellungen in Bezug auf Größe der Tiere, Kopfform und Zahnerkrankungen gäbe. Tatsächlich stammen die ersten drei aufgeführten Quellen von Wissenschaftlern des "Jackson Laboratory" (JAX), in dem seit den 1930er Jahren Versuche an Kaninchen durchgeführt wurden. Bei den meisten Tieren handelte es sich um „New Zealand White“ (Weiße Neuseeländer) aus zahlreichen Inzuchtlinien. Bei den beiden anderen aufgeführten Quellen handelt es sich um ein Buch bzw. Buchkapitel, aus denen kein Beitrag für eine Evidenz abgeleitet werden kann. Ein Zusammenhang der Brachygnathia mit dem Gewicht, den Ohren oder einer „Brachycephalie“ konnte bis heute nicht nachgewiesen werden, wobei die Brachycephalie bei Kaninchen noch nicht einmal definiert ist.
Von Capello & Lennox, 201228) wurde in Bezug auf Zahnerkrankungen des Kaninchens u. a. festgestellt: „Four different primary causes have been reported in the rabbit: congenital and developmental abnormalities, traumatic injuries, abnormal wear, and metabolic bone disease. Congenital jaw mismatch may be caused by prognathism of the mandible or brachygnathism of the maxilla (13, 32). This anatomic condition is common in purebred dwarf rabbits weighing less than 1 kg and in lop rabbits.“ In Bezug auf Widderkaninchen (lop rabbits) existiert kein belastbarer Nachweis für eine besondere Prädospisition.
Böhmer, 201429) formulierte u. a. folgendes: „Sind die Schneidezähne bei jungen Kaninchen (4-12 Monate alt) extrem lang und wachsen sie ohne Kontakt und gegenseitigen Abrieb aneinander vorbei, liegt meist ein genetischer Defekt vor. Verantwortlich hierfür ist ein falsch definiertes Zuchtziel; d. h. die Zucht von Kaninchen mit einem möglichst kleinen, runden Köpfchen (sog. „Kindchen-Schema“). Die damit verbundenen verkürzten Kiefer (Brachygnathie) führen zu einer angeborenen Gebissveränderung. Meist besteht eine Verkürzung des Diastemas (zahnloser Bereich hinter den Schneidezähnen) im Oberkiefer, wodurch die Länge von Ober- und Unterkiefer differiert.„ Das eine Maloklussion bei Kaninchen „meist“ durch einen genetischen Defekt verursacht wird, ist bisher nicht nachgewiesen. Zitierungen verweisen in dieser Hinsicht auf Ergebnisse von Untersuchungen aus Versuchslaboratorien mit Inzuchtlinien. Das Zuchtziel mit „möglichst kleinen runden Köpfchen“ hat nachweislich nichts mit einer angeborenen Gebissveränderung (Brachygnathie) zu tun.
Furler-Mihali, 201930) trug auf einer Tagung auch folgendes vor: „Die veränderte gedrungene Schädelform verursacht bei Zwergkaninchen eine Kieferverkürzung (Brachygnathie), welche die Nahrungsaufnahme erschwert und einschränkt.“ Die „Brachygnatie“ ist eine eigenständige, genetisch bedingte Erkrankung, die nichts mit einer Schädelform zu tun hat.
Die Tierärztin Dr. Ratsch, H., 2019 31) äußerte u. a. zu „Qualzucht-Merkmalen“ bei Kaninchen mit Bezug auf Zuchtziele wie „Kurzer Kopf“, „Zwergwuchs“, „Hängeohren“ oder „Fellbeschaffenheit“: „Aufgrund der kurzen Kieferknochen haben sie Zahnprobleme, denn es ist zu wenig Platz für alle Zähne.. Belege für diese Behauptung wurden nicht angegeben.
Evidenzen
Stengel, 1958
In der „Einleitung und Problemstellung“ seiner Arbeit führte Stengel, 195832) aus: „Als ein typisches Beispiel für die falsche Auffassung vom Aufbau des Individuums sei die Anschauung von der „getrennten Vererbung von Zahn und Kiefer“ genannt, wie sie u. a. ABEL (1931, 1933) vertreten hat. Er meinte, daß bei der Kreuzung in der Größe stark verschiedener Menschenrassen, von Riesen und Zwergen, in den folgenden Generationen Disharmonien an Zahn und Kiefer auftreten, indem sich mit einem Riesenkiefer Zwergzähne und umgekehrt mit einem Zwergkiefer Riesenzähne kombinieren können, wobei im ersten Falle die kleinen Zähne den Kiefer nicht auszufüllen vermögen, im zweiten Falle die großen Zähne im Kiefer keinen Platz finden würden. Dieser Meinung liegt eine falsche Vorstellung von der Vererbung des Merkmals zugrunde, denn es wird nicht ein bestimmtes Merkmal vererbt, sondern eine bestimmte Reaktionsnorm, die genabhängig ist. Außerdem werden die korrelativen Beziehungen der Gene und der Merkmale sowie die Milieuwirkungen vollständig vergessen.“
Im Prinzip wurde schon 1958 etwas als „falsche Vorstellung“ formuliert, was z. B. von der Tierärztin Dr. Ratsch, H., 201933) im Jahr 2019 wieder behauptet wurde.
Weiter wurde von Stengel erläutert: “Neben den beiden extremen Rassen, den Deutschen Riesen und den Hermelinkaninchen, wurden die reziproken F1- und F2-Generationen für die folgenden Untersuchungen herangezogen. Aus eigenem Material stammen 100 Schädel, und zwar nur von solchen ausgewachsener, d. h. mindestens 12 Monate alter Tiere. Jungtierschädel wurden in keinem Fall herangezogen. Darüber hinaus wurde das Material der reinen Rassen noch um Schädel vermehrt, die aus der Sammlung von Prof. Nachtsheim stammen und die bereits in einer früheren Arbeit über korrelationsanalytische Untersuchungen von Zahn und Kiefer bei Wild- und Hauskaninchen (Stengel, 1954, Diplomarbeit, unveröffentlicht) vermessen und bearbeitet wurden. Es handelt sich dabei um 31 Schädel von Deutschen Riesen und 35 von Hermelinkaninchen.„
In der Zusammenfassung wurde festgestellt:
- Die Beziehungen am Zahn- und Kieferapparat wurden bei den Kanindienrassen Deutsche Riesen und Hermelin untersucht. Es zeigten sich weitgehende korrelative Zusammenhänge.
- Reziproke Kreuzungen in der F1 und F2-Generation ergaben keinen statistisch gesicherten Unterschied.
- Die Bastarde der Extremrassen zeigten wie die Stammformen klare Korrelationen zwischen allen geprüften Zahn- und Kiefermaßen und bei den Zähnen untereinander.
- Um Mißverständnisse zu vermeiden, wird eine klare Definition von Anomalie und Disharmonie gefordert. Als Anomalien sollen alle ± pathologischen Entwicklungsstörungen genetischer oder peristatischer Natur bezeichnet werden, Während Disharmonien Folge von Bastardierungen sind. Disharmonien in diesem Sinne konnten am Zahn- und Kieferapparat von Bastarden extrem großer Kaninchenrassen nicht festgestellt werden.
Es wurde deutlich darauf hingewiesen, dass es bei Zuchtformen, die kleiner als Hermelinkaninchen sind, zu Problemen kommen könnte. Der Rassestandard des ZDRK34) gibt für Hermelinkaninchen und Farbenzwerge ein Idealgewicht von 1,10-1,35 kg vor.
Fox & Crary, 1971
Fox & Crary, 197135) untersuchten die Vererbung der Brachygnathia, die sich als ein verringertes Wachstum des Oberkiefers äußerte: „Preliminary observation on this population indicate that overall skull length and length of the maxillary diastema tend to be reduced with prognathism but that the mandible is relatively unchanged.“ (Übersetzung: Vorläufige Beobachtungen an dieser Population deuten darauf hin, dass die Gesamtlänge des Schädels und die Länge des Oberkieferdiastemas bei Prognathie tendenziell abnehmen, der Unterkiefer jedoch relativ unverändert bleibt.) Das heißt, eine Verkürzung des Schädels im Zusammenhang mit „Brachygnathia“ ist ein Ergebnis dieser Erkrankung und nicht ursächlich für sie.
Glöckner, 2002
In einer Dissertation von Glöckner, 200236) sollte die „weit verbreitete Meinung“ überprüft werden, „daß besonders Zwergkaninchen aufgrund ihrer Schädelform für Zahn- und Kiefererkrankungen prädisponiert seien.“ Bei den Tieren in der Arbeit handelt es sich um folgende:
Anzahl | Rasse | Erläuterungn |
---|---|---|
22 | Zwergkaninchen | Kaninchen mit einem Gewicht zwischen 0,7 kg und 1,5 kg und Ohren von einer Länge zwischen 4,5 cm und maximal 5,5 cm |
38 | Hauskaninchen | alle stehohrigen, langohrigeren Mischlingskaninchen mit einem Gewicht über 1,5 kg |
15 | Widderkaninchen | sämtliche Schlappohrkaninchen, da häufig nicht nachzuvollziehen ist, ob es sich um reinrassige Zwergwidder oder um Mischlingsformen mit größeren Widderkaninchen handelte |
3 | Löwenkopfkaninchen | Kaninchen mit einem Gewicht zwischen 1,5 und 2,5 kg, die sich durch Stehohren und überwiegend kurzes, glattes Fell mit einer Art langhaarigen ”Mähne” im Hals-/Schulterbereich auszeichnen |
1 | Deutscher Riese | Stehohrkaninchen (gesund) |
1 | Wildkaninchen | Stehohrkaninchen (gesund) |
Mit Abstand den höchsten Anteil an zahngesunden Tieren in dieser Untersuchung wiesen die Widderkaninchen auf, gefolgt von Hauskaninchen und Zwergkaninchen. Außerdem waren Widderkaninchen mit der geringsten Anzahl von Kieferabszessen vertreten.
Als ein Ergebnis der Analysen wurde festgestellt: „Die Vermutung, daß rundere Kopfformen, wie sie bei Zwerg- und Widderkaninchen rassetypisch sind, als Praedisposition für Zahn- und Kiefererkrankungen anzusehen sind, … kann damit vorliegend nicht bestätigt werden. Die Strecken und Winkel wurden in dieser Studie jedoch nicht nur für die unterschiedlichen Rassen, sondern auch ohne Rassenberücksichtigung für die einzelnen Untersuchungsgruppen miteinander verglichen: Auch hier fiel auf, daß die Meßwerte der jeweiligen Untersuchungsgruppen in sehr ähnlichen Grenzen blieben.“ (S. 110). Ein weiteres Ergebnis mit angefügter Kritik der Methodik lautete: „Von insgesamt 15 untersuchten Widderkaninchen wiesen nur fünf Tiere (33,3 %) Abszesse auf. Vier Widder (26,7 %) wurden zur Zahnbehandlung vorgestellt, die restlichen sechs Tiere (40 %) litten weder unter Zahn- noch Kiefererkrankungen. Dies steht im Gegensatz zu den Vermutungen von BROWN (1992) und DIVERS (1997), wonach sogenannte Hauskaninchen im Gegensatz zu Zwerg- und Widderkaninchen in deutlich geringerem Maße von Zahn- und Kiefererkrankungen betroffen sein müßten. Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, daß die Patienten dieser Studie vorselektiert wurden: Es handelte sich um Kaninchen, die aufgrund von Inappetenz bzw. veränderter Freßgewohnheiten aufgefallen waren, so daß ein hoher Anteil an Zahn- und Kieferveränderungen zu erwarten war.“ (S. 108)
Harcourt-Brown, 2006
In einer Thesis von Harcourt-Brown, 2006 37) wurde als ein Beispiel für unbelegte, unstimmige Behauptungen eine Arbeit von David Crossley, aufgeführt: „„Genetic predisposition is cited as a cause of acquired dental diseases in pet rabbits, which is often attributed to head shape. For example, Meredith and Crossley (2002) say that 'the incidence of dental disease is low in rabbits with conformation similar to those in the wild but approaches 100% in extreme dwarf and lop breeds', although they do not cite a source of this information.“
Die eigene Datenanalyse der Thesis beinhaltete insgesamt 1.254 Kaninchen, die in einer Tierklinik vorgestellt wurden, von denen 465 Tiere (37%) eine zahnärztliche Behandlung benötigten. Die Auswertung nach Rassen ergab keinen Zusammenhang zwischen der Kopfform und Zahnkrankheiten bei Kaninchen: „This view is not supported by the findings of this thesis. Data analysis of 1.254 case records of pet rabbits requiring and not requiring dental treatment showed no significant relationship between Dwarf breeds and treatment for dental disease (Graph 32). No breed incidence was found in this analysis. Rabbits with a head shape similar to wild rabbits (Dutch or English) showed a similar incidence of dental disease to breeds with a head shape that is different from wild rabbits (Dwarf Lop, Minilop, Netherland Dwarf).“ (S. 132) Harcourt-Brown sah Ursachen für Zahnerkrankungen, die sie als „progressive syndrome of acquired dental disease (PSADD)“ bezeichnete (deutsch: „progressives Syndrom einer erworbenen Zahnkrankheit“, vorrangig in der Ernährung. Die Verlängerung (Elongation) von Zahnwurzeln wurde grundsätzlich bei allen zahnkranken Tieren in einem frühen Alter festgestellt. Eine Osteopenie der Schädelknochen (verringerte Knochendichte) wurde bei kranken Tieren diagnostiziert, die sowohl visuell als auch röntgenologisch offensichtlich war. Es kam zu einem fortschreitenden Verlust des Alveolarknochens und zur Dehnung einiger oder aller Zahnwurzeln. Es gab deutliche Veränderungen in der Struktur des Zahngewebes, einschließlich einer Verringerung der Schmelzbildung. Dies alles deute auf eine metabolische Ursache hin. Die einzig genetische Komponente meinte Harcourt-Brown insofern als möglich zu erkennen, dass rasseunabhängig Rammler häufiger von Zahnerkrankungen betroffen waren als Weibchen.
Mäkitaipale et al., 2015
Für eine Studie von Mäkitaipale et al., 201538) wurden insgesamt 167 Heimkaninchen durch Werbung in ganz Finnland für eine Gesundheitserhebung gewonnen. Es waren 17 Rassen vertreten, wobei Zwergwidder die größte Gruppe bildeten (n=47, 28,1 %). Kaninchen gemischter Rassen bildeten die zweitgrößte Gruppe (n=43, 25,7 %). Das Durchschnittsalter der Kaninchen betrug 2,8 Jahre (Spanne 0,3-9,3 Jahre). Außerdem waren 83 Kaninchen (51,5 %) weiblich, von denen 12 kastriert waren (14,0 %), und 81 Kaninchen (48,5 %) waren männlich, von denen 35 kastriert waren (43,2 %).
Zahnerkrankungen waren der häufigste Befund sowohl bei der körperlichen als auch bei der röntgenologischen Untersuchung. Die Prävalenz von Zahnanomalien, einschließlich Hypodontie und Schneidezahnanomalien, betrug in der Studie 45,5% (n=76). Erworbene Zahnerkrankungen (PSADD) traten signifikant häufiger bei Kaninchen auf, die älter als drei Jahre waren (P<0,05), und waren bei beiden Geschlechtern gleichermaßen zu beobachten (Weibchen 40,7%, Männchen 39,5%). Die Häufigkeit von PSADD war bei Löwenkopfkaninchen im Vergleich zu anderen Rassen in dieser Studie höher (P<0,05). Löwenköpfchen zeichnen sich durch einen länglichen Kopf aus. Es wurde kein Zusammenhang zwischen anderen Rassen und Zahnerkrankungen festgestellt.
Die Prävalenz von Anomalien war bei älteren Kaninchen signifikant höher als bei jüngeren; insgesamt 82,3 % (n=51) der Kaninchen, die älter als drei Jahre waren, wiesen Befunde bei der körperlichen oder röntgenologischen Untersuchung auf. Die Autoren stellten fest, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von Kaninchen in den letzten Jahren gestiegen sei und es wäre nicht ungewöhnlich, Kaninchen im Alter von über 10 Jahren anzutreffen, insbesondere bei mittelgroßen Kaninchen. Mittelgroße Kaninchen könnten im Alter von sieben Jahren als geriatrisch angesehen werden, aber Zwerg- und Riesenrassen wiesen eine kürzere Lebenserwartung auf. Geriatrische Erkrankungen können bei diesen Rassen bereits im Alter von vier bis fünf Jahren auftreten.
Korn, 2016
Das Ziel einer Dissertation von Korn, 201639) bestand darin, festzustellen, ob es auf züchterischem Wege möglich ist, Zahnerkrankungen nachhaltig zu verringern: „Insgesamt wurden 14 männliche und 18 weibliche Zuchtkaninchen zehn verschiedener Rassen, sowie 235 daraus gezogene Jungtiere, reinrassig oder Kreuzungen, in die Studie einbezogen. Zwischen zwei dieser Jungtiere erfolgte außerdem, als diese ausgewachsen waren, eine Anpaarung mit zwölf Nachkommen. Eine Übersicht über die Abstammung aller Jungtiere und die Anzahl an Kaninchen bis zum Zeitpunkt des Absetzens (n= 232) und bis zum Erreichen des Adultstatus (n= 209) zeigt Tabelle 1A im Anhang.“ Das Material in der Studie bestand aus folgenden Tieren: „Zwergrassen und kleine Rassen: Holländische Zwergwidder, Deutsche Kleinwidder, Kleinsilber; Mittelgroße Rassen: Blaue Wiener, Rote Neuseeländer, Thüringer, Rheinische Schecken, Weißgrannen, ZiKa; Große Rassen: Deutsche Riesenschecken“ (Tabelle 4, S. 50)
Eine Feststellung in der Arbeit lautete: „Fast alle Kaninchen, die in dieser Untersuchung von einem Aufbiss oder einer “Brachygnathia superior“ betroffen waren, gehörten einer mittelgroßen bis großen Rasse an (Größe b). So kann belegt werden, dass diese pathologischen Zustände nicht an Zwergrassen mit gedrungenen Schädelformen gebunden sind.„ In der Zusammenfassung wurde u. a. erläutert: „Aus der vorliegenden Arbeit wird ersichtlich, dass Kaninchen jeder Rasse von Zahn- und Kieferveränderungen betroffen sein können und dass das Auftreten dieser Veränderungen einer zeitlichen Dynamik unterliegt.“
Reuschel, 2018
40) bestand in der Untersuchung der Befunde von Röntgen und Computertomographie im Hinblick auf die Diagnostik von Erkrankungen des Ohres beim Kaninchen. Dafür standen Heimkaninchen mit Stehohren und hängenden Ohren (Widder) zur Verfügung, deren jeweilge Rassezugehörigkeit nicht angegeben wurde. Für eine Auswertung verschiedener Vermessungen der Schädel standen zudem 20 Versuchskaninchen zur Verfügung (Weiße Neuseeländer).
Abbildung 3) auch der „Längen-Index“ als Quotient aus Gehirnschädellänge / Gesichtsschädellänge (Abbildung 4). In Bezug auf die Schädellänge hatten Kaninchen mit „Stehohren“ den kürzesten und die Versuchskaninchen im Mittel den längsten Schädel. Die „Widderkaninchen“ lagen zwischen den „Stehohren“ und Versuchskaninchen.
Ermittelt wurden neben der „Schädellänge“ (
In Bezug auf das Verhältnis der Gehirnschädel- zur Gesichtsschädellänge wurde festgestellt: „Die Längenindices sind ebenfalls bei den Versuchskaninchen höchst signifikant niedriger als bei Stehohr- und Widderkaninchen (Tukey-Kramer, p < 0,0001) (siehe Abbildung 20), während Stehohr- und Widderkaninchen nahezu identische Werte haben (Tukey-Kramer, p = 0,9886). Mit einem mittleren Längen-Index von 1,0514 haben Versuchskaninchen beinahe gleichlange Gehirn- und Gesichtsschädel. Bei Stehohr- und Widderkaninchen sind die Gesichtsschädel hingegen deutlich kürzer als die Gehirnschädel.“ […] Der Längenindex zeigt ebenso die Verkürzung der Nase bei den Heimtierkaninchen, da auch hier die Versuchskaninchen höchst signifikant geringere Indexwerte aufweisen. Mit Werten von knapp über 1 ist bei den Versuchskaninchen somit der Gesichtsschädel annähernd genauso lang wie der Gehirnschädel. Bei den Heimtierkaninchen ist der Gehirnschädel länger als der Gesichtsschädel. Nach Koch et al. (2018)41) gelten Hunde mit einem Verhältnis von Gesichtsschädel zu Gehirnschädel von unter 1,25 als brachyzephal, da in dieser Untersuchung dieser Index umgekehrt zur eigenen Untersuchung berechnet wurde, müssen die Mittelwerte entsprechend korrigiert werden. In der eigenen Untersuchung würden dann alle drei Gruppen unterhalb von 1 liegen und damit in die brachyzephale Gruppe fallen. Allerdings gelten nach Schmidt et al. (2011)42) Hunde mit Indexwerten, identisch berechnet wie in der eigenen Untersuchung, von bis zu 2 noch als mesatizephal.
Tabelle: Längen-Indices (als Quotient aus Gehirnschädellänge/Gesichtsschädellänge), aus Reuschel, 2018
Längen-Index | Mittelwert | Standard- abweichung | Minimum | Maximum | Median |
---|---|---|---|---|---|
Stehohrkaninchen (n=30) | 1,2903 | 0,0747 | 1,1515 | 1,4384 | 1,2899 |
Widderkaninchen (n=26) | 1,2930 | 0,0813 | 1,0795 | 1,4621 | 1,2901 |
Versuchskaninchen (n=20) | 1,0514 | 0,0322 | 0,9961 | 1,0972 | 1,0514 |
Alle Heimkaninchen, unabhängig von Rasse und Ohrform, hatten vergleichbare Schnauzen- und Gehirnschädelverhältnisse, die sich zu den Versuchskaninchen der Rasse „Weiße Neuseeländer“ unterschieden. Das Gewicht der „Stehohrkaninchen“ lag im Mittel bei 1.702g, das der „Widderkaninchen“ bei 1.802g und das der Versuchskaninchen bei 3.878g.
Außerdem wurden die Vorstellungsgründe der Kaninchen in der Klinik ausgewertet, u. a. für Zahnerkrankungen. Hiervon waren 110 Stehorkaninchen (28,4%) betroffen und 66 Widderkaninchen (17%). Das widerspricht einer allgemein diskutierten Prädisposition von Widderkaninchen für Zahnerkrankungen.
RVC, 2022
Das britische „Royal Veterinary College“ RVC) der „University of London“ teilte im Dezember 2022 in einem Newsletter43) vorab Ergebnisse einer noch nicht veröffentlichten Studie mit. Sie umfasste 161.979 Kaninchen, die im Jahr 2019 in tierärztlicher Erstversorgung vorgestellt wurden. Die Auswertung enthielt 2.219 zufällig ausgewählte Zahnfälle und 117.890 ohne Zahnerkrankungen.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
- Zahnerkrankungen waren mit 15,4% „hochprävalent“,
- weder die Ohrform, noch eine brachycephale Schädelform zeigten statistisch signifikante Zusammenhänge mit Zahnerkrankungen,
- männliche Kaninchen hatten ein höheres Risiko für eine Zahnerkrankung als weibliche,
- mit zunehmendem Körpergewicht der erwachsenen Tiere sank die Wahrscheinlichkeit einer Zahnerkrankung,
- mit zunehmendem Alter stieg die Wahrscheinlichkeit einer Zahnerkrankung an.
Festgestellt wurde zudem, dass Kaninchen mit Stehohren oder einer normalen Schädelform in der Praxis nicht übersehen werden sollten, weil diese Kaninchentypen ebenfalls ein hohes Risiko für Zahnerkrankungen aufwiesen. (Orig. engl.: „Additionally, rabbits with erect ears or normocephalic skull shapes should not be overlooked in practice - these types of rabbits also have a high risk of dental disease.“)
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