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Kastrationsfolgen
Es werden mögliche, dokumentierte Folgen für verschiedene Tierarten und den Menschen aufgeführt. Nicht jede Folge muss nach einer Kastration zwingend auftreten und wenn bestimmte Folgen für eine Tierart dokumentiert sind und für andere nicht, heißt das nicht, dass sie bei auch diesen nicht auftreten. Nicht alles ist nach bisherigem Stand exakt für jede Tierart einzeln nachgewiesen. Die Kastrationsfrist als Zeit, in der männliche Kaninchen isoliert zu halten seien, um eine Befruchtung von Weibchen zu vermeiden, wird extra behandelt.
Kaninchen
Von Bokelmann & Scheringer, 19321) wurden folgende Veränderungen durch die Kastration bei Kaninchen ermittelt:
- größere, stärkere Knochen bei Kaninchen, die im Alter von 3 Monaten kastriert wurden
- Vergrößerung der Hirnanhangsdrüse
- Vergrößerung des Thymus bei Kaninchen, die im Alter von 1–3 Monaten kastriert wurden
- Verzögerung der Involution des Thymus
- Hypertrophie der Nebennieren nach Entfernen der Eierstöcke
- Verbreiterung der Nebennierenrinde bei Verkleinerung der Marksubstanz.
2) untersuchten den Einfluss der Geschlechtshormone auf die Knochendichte. Nach der Kastration im Alter von 6 Wochen wurden männlichen Weißen Neuseeländer-Kaninchen jeweils Testosteron und Östrogen verabreicht, also die Geschlechtshormone, die nach einer Kastration nicht mehr produziert werden. Die Knochendichte wurde mit Hilfe Quantitativer Computertomographie (QCT) ermittelt und die Werte als K₂HPO₄ (Dikaliumhydrogenphosphat) in mg/cm³ angegeben. Aus den folgendenen Diagrammen wird ersichtlich, dass die Knochendichte der Kontrollgruppe, also die der kastrierten Tiere ohne Testosteronzugabe zum Zeitpunkt des Schlusses der Wachstumsfugen signifikant geringer war als die Knochendichte der Tiere, die zusätzlich Testosteron erhielten. Ein ähnliches Ergebnis erbrachte die Zufuhr von Östrogenen.
Von Cao, et al., 20013) wurde die Kieferknochendichte erwachsener weiblicher Tiere untersucht, die kastriert wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass der Verlust von mineralisierter Knochenmasse nach 4 Wochen auftrat und 12 Wochen nach der Ovariektomie in den Mandibeln (Unterkieferknochen) der Kaninchen signifikant war. Insbesondere betroffen war die trabekuläre Knochendichte. Dabei handelt es sich um den schwammartigen Innenraum der Knochen (Spongiosa), der aus kleinen Bälkchen, die aus Knochengewebe bestehen, aufgebaut ist. Die Knochendichte in diesem Bereich betrug bei den kastrierten Tieren nur noch 57-59% der Knochendichte der Kontrollgruppe. Die Spongiosa ist wichtig für die Knochenneubildung und Blutbildung. Außerdem leitet sie auftretende Kräfte, die während des Kauens auftreten in den festen Bereich ab, der den Knochen umgibt.
Die typischste Begleiterscheinung einer Kastration ist die Gewichtszunahme. Allein dadurch ergeben sich als Folge weitere Erkrankungen. Durch weniger Bewegung kommt es Muskel- und Knochenschwund. Die verringerte Aktivität birgt auf Grund des Harnstaus die Gefahr der Bildung von Steinen in den Harnwegen und -organen (Urolithiasis)4). Durch den veränderten Hormonstoffwechsel und das Absinken des Calcitoningehaltes im Blut kann es zu Osteoporose kommen, was sich wiederum negativ auf die Qualität der Zähne auswirken kann. Sie werden brüchig oder fallen aus - eigentlich typische Alterserscheinungen, die aber durch die Kastration auch bei relativ jungen Tieren quasi vorgezogen werden. Bei weiblichen Tieren mag zwar ein erhöhtes Risiko einer Krebserkrankung vorliegen, ein gesicherter Nachweis über eine erhöhte Sterblichkeit existiert jedoch nicht. Viele Krebserkrankungen werden erst post mortem (nach dem Tod) bei einer Autopsie diagnostiziert- gestorben sind die Tiere aber auf Grund einer anderen Ursache.
in einer Studie5) wurden an einer englischen Uni-Klinik die Daten von 179 Hauskaninchen ausgewertet und die Halter nach den Haltungsbedingungen befragt. Von diesen 179 Tieren wiesen nur 11 keine Anzeichen von Pododermatitis auf. 73 Tiere hatten „schwere“ (major, score > 1) Anzeichen und 94 „geringe“ (minor, score = 1) Anzeichen für Pododermatitis. Als Rassen waren vertreten Lop (n=68), Mischlinge (n=60), Löwenköpfe (n=21), Holländische Zwerge (n=12), Rex (n=6), Holländer (n=5), Continental giant (n=4), und English (n=3). Es wurde kein Zusammenhang zwischen Rassen und dem Auftreten von Pododermatitis gefunden. 100 % der untersuchten kastrierten, weiblichen Tiere wiesen klinische Anzeichen von Pododermatitis auf. Zudem wiesen Kastrierte Weibchen eine höhere Prävalenz von schwerer Pododermatitis auf (score > 1) als intakte Weibchen (54,7 % bzw. 23,4 %). Auch bei kastrierten Männchen lag die Prävalenz klinisch schwerwiegender Läsionen mit 54,9 % höher im Vergleich zu intakten Männchen mit 39,2 %.
In einer Arbeit von Adji, et al., 20226) wurde in Form eines Review die Literatur zum Thema „Fettleibigkeit/Adipositas“ („Obesity“) und mögliche Risikofaktoren für deren Entstehen ausgewertet.
Als Ergebnis wurden 6 Risikofaktoren ermittelt, die zu einer Fettleibigkeit bei Kaninchen führen können:
- Alter
- Rasse (Größe/Gewicht)
- Geschlecht und Kastrationsstatus
- Ernährung
- Haltung
- Besitzereigenschaften.
Speziell zu Pkt. 3, „Geschlecht und Kastrationsstatus“ hieß es sinngemäß: in einer Studie mit 150 Hauskaninchen wurde festgestellt, dass 48 % der untersuchten weiblichen Tiere übergewichtig waren, verglichen mit 17 % der männlichen Tiere. Diese Daten wurden auch durch eine andere Studie bestätigt, in der mehr weibliche (11,1 %) als männliche (6 %) Tiere als übergewichtig eingestuft wurden, obwohl der Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern statistisch nicht signifikant war. Bei Laborkaninchen wurde eine kastrationsbedingte Gewichtszunahme und zentrale/viszerale Adipositas beobachtet . Diese Ergebnisse werden durch eine andere Studie bestätigt, in der festgestellt wurde, dass kastrierte Kaninchen im Vergleich zu intakten Kaninchen ein 5,4-fach höheres Risiko haben, übergewichtig zu sein. Obwohl diese Ergebnisse nicht von allen früheren Studien gestützt werden, kann man daraus schließen, dass die Kastration einer der Risikofaktoren für Gewichtszunahme und Fettleibigkeit bei Kaninchen sein kann. In einer anderen Studie mit 72 Kaninchen wurde berichtet, dass kastrierte Männchen offenbar stärker zu Fettleibigkeit neigen (27 %) als kastrierte Weibchen (19 %). Diese Ergebnisse können jedoch durch den geringeren Stichprobenumfang der letztgenannten Studie im Vergleich zu den zuvor diskutierten Studien erklärt werden.
Ratten
Bei Ratten wurde von Tandler & Grosz (1913)7) eine starke Verkleinerung der Prostata festgestellt, bei verschiedenen Säugetierarten ein verändertes Knochenwachstum und vor allem die Veränderung von Proportionen der Knochen untereinander. Nach (Bokelmann & Scheringer (1932)8) führte die Kastration bei weiblichen Albinoratten zu einer relativen, funktionellen und anatomischen Atrophie (Verkleinerung) der Thyreoidea (Schilddrüse). Erkrankungen der Schilddrüse mit ihren Auswirkungen werden bei Kleintieren wie Ratten, Mäusen und Kaninchen selten beschrieben. Das heißt aber nicht, dass sie wie bei anderen Säugetieren keine Rolle spielen würden – sie werden nur schlicht nicht als solche erkannt. In Versuchen von Drori & Folman (1976)9) wurde eine moderate Verlängerung der Lebensdauer durch die Kastration festgestellt, einen größeren Einfluss darauf hatte jedoch die Bewegung bzw. Mobilität. Dieser Effekt ist auch bei männlichen Kastraten festzustellen. Vorrangig liegt das an dem fast völligen Wegfall der Produktion von Testosteron. Damit verbunden sind weniger Revier- oder Rangordnungskämpfe und somit die Verletzungsgefahr. Im Gegensatz dazu kann bei weiblichen Tieren sogar die Aggressivität zunehmen, weil der Einfluss der Östrogene fehlt.
Die Kastration weiblicher, ausgewachsener Ratten führte in Versuchen von Gürkan, et al. (1986)10) zu Osteoporose, also eine Verringerung der Knochendichte, wie sie normalerweise erst im Alter auftritt und vergleichbar mit anderen Säugetieren sowie dem Menschen ist. Schuld ist das Absinken des Calcitonin- Spiegels im Blut nach der Kastration. Dabei handelt es sich um ein Hormon aus der Schilddrüse, das als Gegenspieler von Parathormon den Calcium- und Phosphathaushalt im Körper reguliert. Calcitonin hat dabei eine calciumsenkende Wirkung und hemmt den Calciumabbau aus den Knochen. Das Parathormon wird in der Nebenschilddrüse gebildet und hat eine calciumerhöhende Wirkung im Blutplasma11)12). Eine weitere Ursache der Verringerung der Knochendichte kann zum Beispiel Bewegungsarmut auf Grund des Muskelabbaus und Adipositas darstellen. Wronski und Mitarbeiter (1989)13) überprüften in einer Langzeituntersuchung ebenfalls den Einfluss der Ovariektomie auf die Knochendichte. Nach der Entfernung der Eierstöcke wurde ein zweistufiges Muster der Verringerung der Knochendichte beobachtet. Nach der Kastration wurde eine Osteoponie, die Vorstufe von Osteoporose, konstatiert, in deren Verlauf sich die Knochendichte um 5–7% verringerte. Nach einer gewissen Zeit erfolgte eine Stabilisierung, in deren weiteren Verlauf ein Verlust von 1–2% der Knochendichte konstatiert wurde.
Die Inzidenz von Harnsteinen in intakten weiblichen Ratten mit gleicher Nahrung unter Zuführung von Testosteron betrug 10% und erhöhte sich auf 40% in Ratten, denen die Eierstöcke entfernt wurden14).
Hunde
In einer Untersuchung von 15.363 Hunden wurde festgestellt, dass die Kastration zwar keinen Protasta-Krebs auslösen, den Verlauf der Erkrankung aber beschleunigen kann15).
Hart, 200116) untersuchte in einer Studie die kognitive Schwächung als Folge der Kastration in den Kategorien Orientierung im Haus und im Freien, soziale Wechselwirkungen, Training sowie den Schlaf-/Wach-Zyklus. Die Ergebnisse einer stärkeren Schwächung bei kastrierten Rüden und Hündinnen weisen klar darauf hin, dass das Testosteron bei intakten männlichen und die Östrogene bei intakten weiblichen Tieren den Fortschritt des Verlustes der kognitiven Fähigkeiten deutlich verlangsamen. Durch den Verlust der Sexualhormone werden also bereits früh Prozesse beschleunigt, die eigentlich erst im späten Alter in Gang kommen. Bei männlichen und weiblichen Rottweilern, die noch vor Erreichen des 1. Lebensjahres kastriert wurden, bestand in einer Untersuchung ein sehr viel höheres Risiko, später an Knochenkrebs zu erkranken. Außerdem bestand ein hoch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Kastration und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Knochenkrebs17).
2014 wurden Ergebnisse aus einer Langzeituntersuchung von Hart, et al.18) über die Folgen der Kastration von Hunden veröffentlicht. Dieser Artikel liefert in der Einleitung eine zusammenfassende Übersicht zu veröffentlichten Studie über Folgen der Kastration bei Hunden. „Intakt“ bedeutet in den Beschreibungen „nicht kastriert“:
- eine Studie über Osteosarkome (OSA, bösartiger Knochentumor) bei mehreren Rassen ergab einen Anstieg um das Doppelte bei kastrierten Hunden im Vergleich zu intakten Hunden19)
- Bei Rottweilern, die vor dem 1. Lebensjahr kastriert wurden, stieg das Auftreten von OSA auf das 3-4-fache im Vergleich zu intakten Hunden an20)
- Eine Studie über das kardiale (das Herz betreffend) Hämangiosarkom (HSA) bei kastrierten Weibchen ergab, dass die Inzidenz für diesen Krebs viermal größer war als die von intakten Weibchen21)
- eine Studie über HSA der Milz bei kastrierten Weibchen fand Raten, die 2 mal höher als bei intakten Weibchen war22)
- Eine Studie zum Lymphosarkom (LSA, Lymphom, bösartige Neubildung lymphatischer Zellen z. B. in den Lymphknoten, Mandeln, der Milz oder Stammzellen im Knochenmark) ergab, dass kastrierte Weibchen eine höhere Inzidenz für diese Erkrankung aufwiesen als intakte Weibchen23)
- Für kutane Mastzelltumoren (MCT) wurde eine Zunahme der Inzidenz bei kastrierten Weibchen auf das Vierfache im Vergleich zu intakten Weibchen festgestellt24)
- Prostatakrebs wird beim Hund im Gegensatz zum Menschen durch die Entfernung von Testosteron potenziert. Eine umfangreiche Studie ergab, dass dieser Krebs bei kastrierten Rüden viermal häufiger auftrat als bei intakten Rüden25)
- Der am häufigsten erwähnte Vorteil der Frühkastration von Hündinnen ist der Schutz vor Brustkrebs (MC)26). Eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse über kastrierte Weibchen und MC ergab jedoch, dass der Beweis, dass die Kastration mit einem verringerten Risiko für MC verbunden wäre, nur schwach ist27)
- in einer umfassenden Studie über die Kastration von 759 Golden Retrievern wurden die Auswirkungen der Kastration bei Rüden und Weibchen untersucht, die früh kastriert (< 1 Jahr) und spät kastriert (> 1 Jahr) wurden28). Fast 10 Prozent der früh kastrierten Rüden wurden mit LSA diagnostiziert, 3 mal mehr als intakte Rüden. Es gab keine Fälle von MCT bei intakten Weibchen, aber bei spät kastrierten Hündinnen lag die Rate bei fast 6 Prozent. Die Inzidenz von HSA bei spät kastrierten Weibchen war ebenfalls höher als bei intakten Weibchen.
- Eine Studie unter Verwendung einer veterinärmedizinischen Datenbank mit über 40.000 Hunden ergab, dass kastrierte Rüden und Weibchen häufiger an Krebs sterben als intakte Hunde, insbesondere an OSA, LSA und MCT29)
- In einer Studie über Vizslas wurde das Auftreten von Krankheiten in einer Online-Umfrage unter Haltern ermittelt. In dieser war die Inzidenz von Krebserkrankungen bei kastrierten Hunden höher als bei intakten Hunden30). Die wichtigsten Krebsarten im Zusammenhang mit der Kastration waren LSA, HSA und MCT. Das Vorkommen von MC war sehr gering bei intakten Weibchen.
- In einer Studie31) wurden Gelenkerkrankungen untersucht. Von den früh kastrierten Rüden wurden 10 Prozent mit Hüftdysplasie (HD) diagnostiziert, doppelt so viel wie intakte Rüden. Es gab keine Fälle von CCL bei intakten Rüden oder Weibchen, bei früh kastrierten Rüden und Weibchen lag das Vorkommen aber bei 5 Prozent und 8 Prozent.
In einer eigenen, früheren Studie über die Auswirkungen der Kastration wurde von den Autoren32) festgestellt, dass sich die Inzidenz von zwei Gelenkerkrankungen und drei Krebsarten deutlich erhöht hatte. In der neuesten Studie wurden über einen Zeitraum von 13 Jahren die Auswirkungen der Kastration in bestimmten Altersbereichen untersucht: vor 6 Monaten, zwischen 6-11 Monaten, nach dem 1. Jahr und im Bereich vom 2. bis zum 8 Lebensjahr. Die untersuchten Gelenkerkrankungen waren Hüftdysplasie, Schädelkreuzbandriss und Ellenbogendysplasie. Die untersuchten Krebsarten waren Lymphosarkom, Hämangiosarkom, Mastzelltumor und Brustkrebs. 5% der Hunde einer Rasse der intakten Rüden und Weibchen hatten eine oder mehrere Gelenkerkrankungen. Dieser Wert verdoppelte sich für frühkastrierte (6 Monate) in Bezug auf die Inzidenz einer oder mehrerer Gelenkerkrankungen bei beiden Geschlechtern. Bei männlichen und weiblichen Golden Retrievern, deren Rate an Gelenerkrankungen mit 5% bei intakten Hunden gleich war, erhöhte sicdie Rate nach der Kastration mit 6 Monaten auf das 4- bis 5-fache von intakten Hunden! Die Inzidenz für eine oder mehrere Krebsarten bei kastrierten, weiblichen Labrador-Retrievern stieg leicht über das Niveau von 3 Prozent im Vergleich zu intakten Weibchen. Aber im Gegensatz erhöhte die Kastration in allen Perioden bis zum Alter von 8 Jahren die Rate von mindestens einer der Krebsarten um das 3-4-fache. Bei männlichen Golden und Labrador-Retrievern hatte die Kastration relativ geringe Auswirkungen auf das Auftreten von Krebserkrankungen. Vergleiche von Krebserkrankungen in den beiden Rassen deuten darauf hin, dass das Auftreten von Krebserkrankungen bei weiblichen Golden Retrievern ein Spiegelbild der besonderen Anfälligkeit für die Entfernung von Gonadenhormonen ist. Neben der Vermeidung erhöhter Risiken für Gelenkerkrankungen und Krebserkrankungen gibt es Hinweise darauf, dass der altersbedingte kognitive Rückgang durch die Kastration beschleunigt werden könnte.
Als Risiken der Kastration werden von Merttens & Unselm (1997)33) neben unmittelbaren Narkoserisiken Abwehrreaktionen im Bereich der Ligaturen aufgeführt, des weiteren Fistelbildungen, Blutungen, Nahtdehiszenzen (Aufklaffen von Wundrändern), Serombildungen (Ansammlung von Exsudat und Lymphe in Gewebehohlräumen), postoperativen Verwachsungen und Infektionen. Weitere Folgen sind vermehrte Wollhaarbildung, Haarausfall, Hypoöstrogenismus (Östrogenmangel) sowie Inkontinenz.
Möbius, 200934) konstatierte:„Gerade Im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen ist eine präpubertäre Kastration, allein um zukünftige Erkrankungen zu verhindern, zweifelhaft. Entsprechend dem § 6 Abs. 1 Nr. 1 a Tierschutzgesetz muss der Eingriff im Einzelfall geboten sein.“
Einzigartige und sehr umfangreiche Darstellungen der Kastration bei Hunden in Bezug auf körperliche Folgen sowie des Verhaltens lieferten Niepel, 200735) sowie Gansloßer & Strodtbeck, 201136).
Katzen
Bei frühkastrierten Katzen wurde später (12, 18 und 24 Monate) eine signifikante Zunahme des Körperfettes und des Körpergewichtes um ca. 1,0 kg festgestellt, die auf eine kastrationsbedingte Reduktion der Stoffwechselaktivität im Vergleich zu intakten Katzen der Kontrollgruppe zurückzuführen war37). Der Harnröhrendurchmesser weiblicher Katzen war im Alter von 22 Monaten nach der Kastration im Welpenalter signifikant geringer als bei nicht kastrierten Tieren38).
Menschen
Ergebnisse von Untersuchungen an frühkastrierten Männern ergaben nach Tandler & Grosz (1913)39) u. a. eine verkleinerte Prostata und Schilddrüse, eine blasse, pigmentarme und faltige Haut, dichtes Haupthaar sowie eine enorme Entwicklung von Körperfett – vor allem an Gesäß, Brust, Oberschenkeln sowie im Becken- und Unterbauchbereich. Im Knochenbau zeigten sich Proportionsstörungen in der Länge der Gliedmaßen, ein Missverhältnis zwischen Extremitäten- und Rumpflänge, spät verschlossene Wachstumsfugen, ein verringerter Schädelumfang, die Ausbildung eines starken Stirnbeins und eine Vergrößerung der mittleren Schädelgrube. All diese Veränderungen waren umso prägnanter, je früher die Kastration stattfand. Außerdem wurde explizit darauf hingewiesen, dass die Kastration einen Einfluss auf den Stoffwechsel, insbesondere auch auf den von Calcium und Phosphor sowie auf die Blutbeschaffenheit (Absinken von Hämoglobingehalt und Zahl der roten Blutkörperchen) sowie eine Verzögerung der Blutgerinnung bei Mensch und Tier nimmt.
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie gibt die Auswirkungen einer Kastration für Menschen folgendermaßen an (DGU, 2009)40):
- Veränderungen des Metabolismus,
- Reduktion der Muskelmasse,
- Gewichtszunahme,
- Lipidstoffwechselstörungen,
- Insulinresistenz,
- Hyperglykämie und auf dieser Grundlage möglicherweise eine erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen (akuter Myokardinfarkt, chronische Herzinsuffizienz, zerebrovaskuläre Ereignisse, Tiefe Venenthrombose, Lungenembolie),
- Diabetes,
- Anämie mit Leistungsverlust und Schwächezuständen - Fatigue-Syndrom, Abnahme der kognitiven Fähigkeiten
Zusammenfassung
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