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genetik:signaturen_domestikation

Signaturen der Domestikation

Betreff: VOR Etablierung der Rassekaninchenzucht (nach Zuchtstandards)

Albert et al., 20121) gingen der Frage nach, ob die Domestikation unterschiedlicher Tierarten, hinsichtlich verhaltensbezogener Aspekte, mit vergleichbaren Änderungen auf molekularer Ebene einhergegangen ist; analog z.B. zur Fellhaarfarbe, die bei vielen domestizierten Tierarten, wie Hunde, Schweine, Pferde, Hühner oder Kaninchen, vom MC1R-Rezeptor beeinflusst wird.
Dazu verglichen sie Transkriptome aus Gehirnen (Cortex, Frontallappen) von Haushunden (Canis familiaris) und Wölfen (Canis lupus), Hausschweinen und Wildschweinen (Sus scrofa), sowie Hauskaninchen und Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus; je 3x weiblich, 3x männlich, nicht verwandt). Zusätzlich wurden Hausmeerschweinchen (Cavia porcellus) und wilde Meerschweinchen (Cavia aperea) einbezogen, sowie zwei Linien von Ratten, die seit 1971, ausgehend von Wildfängen, auf zahmes oder aggressives Verhalten gegenüber Menschen selektiert worden sind.

Innerartlich (domestiziert vs. wild) unterschieden sich die mRNA-Sequenzen nur geringfügig. Bei Kaninchen wurden 31 signifikant unterschiedlich exprimierte Gene identifiziert (– das auffallendste Gen mit signifikant höherer Expression bei Hauskaninchen war PPL, ein mit dem Zytoskelett assoziiertes Protein, das eine Rolle bei der Zelladhäsion spielt; das auffallendste Gen mit signifikant geringerer Expression bei Hauskaninchen war MYO5C, ein Motorprotein, das eine Rolle beim Transport von sekretorischen Granula spielt). Und nur bei einem dieser Gene, FNDC1, könne möglicherweise eine Domestikations-assoziierte, positive Selektion eines regulatorischen Elements zugrunde liegen.
Gene, die Art-übergreifend, bis zu einem gewissen Ausmaß, ähnliche Domestikations-assoziierte Expressions-Unterschiede zeigten, waren COL14A, SOX6, PROM1 und SOCS4.
Zusammenfassend seien jedoch die meisten Domestikations-assoziierten Veränderungen der Genexpression, in Bezug auf Verhaltensweisen, tierartspezifisch.


Zur Identifizierung Domestikations-assoziierter genomischer Signaturen bei Kaninchen (O. cuniculus) sequenzierten Carneiro et al., 20142) gepoolte DNA-Proben, jeweils von verschiedenen Hauskaninchenrassen (Hasenkaninchen, Holländer, Französische Widder, Champagne d'Argent, Belgische Riesen, Weiße Neuseeländer, 6 Pools) und von Wildkaninchen (O. c. c. aus Frankreich, 3 Pools; O. c. c. oder O. c. a. von der Iberischen Halbinsel, 11 Pools).

Ergebnisse:

  • Als Beispiele für Gene, die mit entdeckten selective sweeps assoziiert werden konnten, wurden genannt:
    GRIK2, mit einem nahezu fixierten Allel bei Hauskaninchen und möglicher Auswirkung auf das Gehirn, bzw. auf Verhaltensweisen;
    SOX2, welches einen Transkriptionsfaktor codiert, der für die Erhaltung von Stammzellen erforderlich sei.
  • Eine hoch signifikante Anreicherung von differenzierten SNPs wurde insbesondere in nicht-codierenden, regulatorischen DNA-Abschnitten entdeckt – Für die meisten dieser Regionen konnten Zusammenhänge mit der Embryonalentwicklung, insbesondere der Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems abgeleitet werden.
  • Bei keinem der differenzierten SNPs in codierenden Regionen handelte es sich um eine Nonsense- oder Frame-shift-Mutation, was als Hinweis darauf angesehen wurde, dass bei der Domestikation ein Verlust, bzw. eine Inaktivierung von Genen keine wesentliche Rolle gespielt hat.
    Autosomale Missense-Mutationen waren großteils nicht fixiert und vermutlich Folge von Hitchhiking-Effekten, ohne funktionelle Bedeutung. Jedoch waren zwei solcher Missense-Mutationen auffällig: 1) Gln813→Arg813-Substitution im TTC21B-Gen mit Bedeutung in der Signalübertragung während der Embryonalentwicklung; 2) Arg1627→Trp1627-Substitution im KDM6B-Gen mit regulatorischer Bedeutung während der Embryonalentwicklung.

Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass bei Hauskaninchen nur sehr wenige Loki vollständig fixiert sind (weder codierende noch nicht-codierende, konservierte Loki); stattdessen wurden an vielen Loki Verschiebungen der Allelfrequenzen festgestellt.
Während der Domestikation wurden vorrangig Gene verändert, welche die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems beeinflussen – eine Veränderung, die es den Tieren ermöglichte, den Menschen und seine Umwelt zu tolerieren.
Abschließend wurde vermutet, dass sich zahmes Verhalten bei Kaninchen und anderen Haustieren aufgrund einer komplexen genetischen Basis entwickelt hat, wobei vorrangig viele Mutationen mit geringer Wirkung, anstelle von kritischen Veränderungen an nur wenigen Loki eine Rolle gespielt haben.

Brusini et al., 20183) zeigten mittels hochauflösender Bildgebung deutliche Unterschiede in der Gehirnstruktur bei Haus- und Wildkaninchen (insbesondere ein deutlich verringertes Volumen der Amygdala bei Hauskaninchen), die mit dem veränderten Verhaltensrepertoire bei Hauskaninchen, wie eine verminderte Angstreaktion, zusammenpassen.

Sato et al., 20204) verglichen die Genexpression (Transkriptom) in vier verschiedenen Hirnregionen – Amygdala, Hypothalamus, Hippocampus und parietaler/ temporaler Kortex – zwischen neugeborenen Wild- und Hauskaninchen (New Zealand white; jeweils n=3). Sie fanden zahlreiche, direkt oder indirekt, unterschiedlich exprimierte Gene („differentially expressed genes“, DEGs), die möglicherweise mit den veränderten Verhaltensweisen und der veränderten Gehirnstruktur bei Hauskaninchen zusammenhängen. Auffällig waren insbesondere Gene, die an der Dopamin-Signalübertragung in der Amygdala beteiligt sind, sowie an bestimmten Strukturen im Hippocampus, die für Motilität, Reizverarbeitung oder Signalübertragung bedeutend sind. Auch für Gene, die ribosomale Proteine codieren, wurden Unterschiede festgestellt; besonders bemerkenswert war RPL21.
Das Gen TCEAL2 könnte eine wichtige regulatorische Rolle im Zusammenhang mit emotionalen und/oder kognitiven Funktionen besitzen.


Siehe auch: Fekete et al., 2025.


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1)
Albert, F. W., Somel, M., Carneiro, M., Aximu-Petri, A., Halbwax, M., Thalmann, O., … & Pääbo, S. 2012. A comparison of brain gene expression levels in domesticated and wild animals.
2)
Carneiro, M., Rubin, C. J., Di Palma, F., Albert, F. W., Alföldi, J., Barrio, A. M., … & Andersson, L. 2014. Rabbit genome analysis reveals a polygenic basis for phenotypic change during domestication. Science, 345(6200), 1074-1079.
3)
Brusini, I., Carneiro, M., Wang, C., Rubin, C. J., Ring, H., Afonso, S., … & Andersson, L. 2018. Changes in brain architecture are consistent with altered fear processing in domestic rabbits. Proceedings of the National Academy of Sciences, 115(28), 7380-7385.
4)
Sato, D. X., Rafati, N., Ring, H., Younis, S., Feng, C., Blanco-Aguiar, J. A., … & Andersson, L. 2020. Brain transcriptomics of wild and domestic rabbits suggests that changes in dopamine signaling and ciliary function contributed to evolution of tameness. Genome Biology and Evolution, 12(10), 1918-1928.
genetik/signaturen_domestikation.txt · Zuletzt geändert: von kathrin

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