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Haarfarbe - TYR (Color/ Albino)
Assoziiertes Gen: TYR (Tyrosinase)
Chromosom: OCU1
Vererbung: monogen; A > achi > ad > am > an > a
Tabelle 1: Bekannte Varianten des TYR
Symbol | Variante/ Mutation(en) | Funktion/ Mechanismus | Phänotyp | Rassen | |
---|---|---|---|---|---|
deutsch (englisch) | DNA | Protein | |||
A (C) | Wildtyp | Enzym bestehend aus 530 Aminosäuren1) | Schlüsselenzym in der Melanin-Synthese; in den Melanozyten exprimiert | Normale Farbausprägung, dunkle Augen (Iris und Netzhaut normal pigmentiert) | |
achi (cchd)* | c.881A>G und c.1073C>T2)3) | p.E294G und p.T358I, zentral gelegen zwischen der CuA- und der CuB-Bindungsregion des TYR-Enzyms4)5) | Eumelanin unbeeinflusst, Phäomelanin stark reduziert | Chinchillafarbig dunkel, dunkle Augen | Chinchilla (Österreich6)/ ANCI, Italien7)) |
ad (cchm)* | Eumelanin reduziert, Phäomelanin vollständig reduziert | Chinchillafarbig mittel (sepiafarbig; temperatursensitive Ausprägung), rötlich-schwarze Augen | |||
am (cchl)* | (R422Q8)?) | Eumelanin weiter reduziert | Marderfarbig (chinchillafarbig hell/ sepiafarbig; temperatursensitive Ausprägung), rötliche Augen; Typmarder: am/an oder am/a | ||
an (ch) | c.881A>G9)10) | p.E294G, zentral gelegen zwischen der CuA- und der CuB-Bindungsregion des TYR-Enzyms11)12) | TYR-Enzym in warmen Körperregionen inaktiv, keine Phäomelanin-Synthese | Russenfarbig, d.h. ausschließliche Pigmentierung der Extremitäten (stark temperatursensitive Ausprägung), rötliche/ rosarote Augen; zur variablen Ausprägung der Russenfarbe können zusätzliche Variation am TYR-Lokus oder epistatische Wechselwirkungen beitragen13) | Kalifornier (Österreich14)/ ANCI, Italien15)/ INRA, Frankreich16)) |
a (c) | c.1118C>A17)18) | p.T373K, in der CuB-Bindungsregion des TYR-Enzyms19)20) | Vollständiger Verlust der katalytischen Aktivität des TYR-Enzyms21), keine Melanin-Synthese | Albino, rötliche/ rosarote Augen (Okulokutaner Albinismus, d.h. Haut, Haare und Augen betreffend) | Weiße Neuseeländer (Österreich22)/ ANCI, Italien23)) |
*: Bisher wurde nur ein Chinchilla-Allel molekulargenetisch identifiziert, und es ist noch unklar, wie dieses mit den drei Chinchilla-Allelen (cchd, cchm, cchl), die von Robinson, 195824)(S. 238) beschrieben wurden, zusammenhängt.
Geschichte
Erste Berichte über das Vorkommen weißer Kaninchen stammen aus dem 16. Jahrhundert.25)(S. 89) Auch das titelgebende Kaninchen in Tiziano Vecellios Gemälde „Madonna mit dem Kaninchen“ aus dem Jahr 1530 hat weißes Fellhaar.
Neben Silberkaninchen und Albinos wurden um 1850 auch Russenfarbige der damaligen Rasse „Pelzkaninchen“ zugeordnet.26)(S. 106)
Charles Darwin führte die Entstehung der „Himalaya-Rasse (zuweilen auch Chinesische oder Polnische oder Russische genannt)“ auf das Jahr 1857 zurück. Demnach sollen Russenfarbige aus hellen Silberfarbigen (die er auch als „Chinchillas“ bezeichnete) hervorgegangen sein. (Darwin, 1868 27), S. 108-110; mit Verweis auf: Proc. Zool. Soc. Juni 1857, p. 159; Cottage Gardener. 1857, p. 141.; 28), S. 28, 37)
„Die Rasse [Russenkaninchen] ist erstmalig von Mr. A. D. Bartlett 1857 beschrieben worden. Der Veröffentlichung ist laut Wischer in „Proceedings of the Zoological Society of London“ (Part. 25, 1857, p. 159-160) eine farbige Lithographie mit zwei Alttieren und drei noch weißen Jungtieren beigefügt: Es heißt in der Beschreibung des Lepus nigripes oder „Blackfooted rabbit“, daß das Kaninchen kleiner, kürzer und kompakter sei als das gewöhnliche Hauskaninchen. Der Russe ist nur ein Teilalbino mit rotdurchleuchtenden Augen. Als Teilalbino hat er aber farbige „Gipfel“. Weiter zeigt er die Merkwürdigkeit unter Einwirkung von Kälte an farblosen Kahlstellen Pigment zu entwickeln.“ (Wischer, M. 1941. Praktische Kaninchenzucht von Paul Starke. Zwölfte Auflage. Leipzig: Dr. F. Poppe.29), S. 211)
Chinchillafarbige Kaninchen wurden ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt und 1913 in Frankreich erstmals ausgestellt.30)(S. 82)
Marderfarbige Kaninchen wurden ab den 1920er Jahren in verschiedenen Ländern, wie Frankreich, Deutschland, England oder Amerika, unter den Nachkommen von Chinchillafarbigen beobachtet und weitergezüchtet.31)(S. 174)32)(S. 116)33)
Siehe auch: Kaninchenrassen.
Zur Vererbung
In seinem Brief an C. Wren vom 16. Juli 1683 zeigte A. van Leeuwenhoek, dass er sich der Dominanz der Wildfarbigkeit (A/_, G/_) gegenüber Albinismus (a/a) sowie Nicht-Wildfarbigkeit (g/g) durchaus schon bewusst war: „In order to cause these white rabbits to have grey young, […] they mate a grey buck with the white does. This grey buck […] is mated not only with white, but also with piebald, bleu and black does, and all the young issuing from this, take their father's grey colour; and, indeed, it has never been seen that any such young rabbit had a single white hair or any other hair than grey.“34)(S. 69-71)
Aber erst nach der Wiederentdeckung der Mendelschen Vererbungsregeln um 1900 wurde dieses Wissen zielgerichtet genutzt.
So berichtete der Genetiker W. E. Castle (1903)35) im Rahmen von ersten, klassischen Zuchtexperimenten über einen rezessiven Vererbungsmodus des Albinismus:
„During the last few months I have been able to demonstrate experimentally that albinism is a recessive character in rabbits.“
Castle et al., 190936) (Vollpigmentiert, russenfarbig, albino)
Dominanzverhalten und Pigment-Ausprägung
Tabelle 2: Dominanzverhalten zwischen Allelen des A-Lokus und Pigment-Ausprägung für die verschiedenen Kombinationen – nach Robinson, 195837)(S. 239; ausgehend von Sawin 1932, Kosswig 1927 und Nachtsheim 1929); angepasst gemäß Fontanesi, 202138)(S. 90)
Genotyp | Eumelanin-Level | Phäomelanin-Level | Farbe Pupille | Farbe Iris | Fellhaarfarbe |
---|---|---|---|---|---|
A/_ | ++++ | +++ | Sehr dunkel/ schwarz | Braun | Vollpigmentiert |
achi/achi, achi/an, achi/a | ++++ | + (Rückenlinie) | Sehr dunkel/ schwarz | Blau durchwachsen | Chinchillafarbig |
achi/ad, achi/am | ++++ | + (Rückenlinie) | Sehr dunkel/ schwarz | Braun | Chinchillafarbig |
ad/ad, ad/am | +++ (Leicht sepia) | Nicht vorhanden | Rötlich-schwarz | Braun | (Dunkel-marderfarbig?) |
ad/an, ad/a, am/am | ++ (Sepia) | Nicht vorhanden | Rot | Braun | Dunkel-marderfarbig |
am/an, am/a | ++ (Blass sepia) | Nicht vorhanden | Rot | Braun | Typ-marderfarbig |
an/an, an/a | ++ (Extremitäten) | Nicht vorhanden | Pink | Weiß | Russenfarbig |
a/a | Nicht vorhanden | Nicht vorhanden | Pink | Weiß | Weiß |
Weitere Formen des Albinismus
- Magnussen (1952, 1954) berichtete über eine Mutation (red-eye, re), die bei Homozygotie zu einer stark verringerten und verzögerten Pigmentbildung im Auge (rote Pupillen, milchig-blaue Iris bei adulten Tieren), sowie aufgehelltem Nackenhaar führte, und die unabhängig von Albino-, Agouti- und Vienna-White-Loki vererbt wurde.39)(S. 252-253)40)(S. 14)
- Lutino (gehemmte Eumelanin-Synthese; beobachtet und weitergezüchtet in Dänemark, 1985)
Gesundheitliche Bedeutung des Albinismus
Okulokutaner Albinismus resultiert bei Säugetieren neben einer gestörten Pigmentierung von Haut, Haaren und Augen in einer veränderten Organisation des visuellen Systems. Bei verschiedenen Albino-Tiermodellen sind eine verringerte Stäbchenzahl (Mäuse, Frettchen), eine unterentwickelte zentrale Netzhaut (Mäuse, Frettchen, Kaninchen) oder fehlgeleitete Sehnervenfasern (Mäuse, Katzen) bekannt.41)
Nervenfasern, die Sehinformation aus der Netzhaut an bestimmte Areale des Gehirns vermitteln, werden als Sehbahn bezeichnet. Sanderson, 197542) stellte auch bei Kaninchen mit fehlendem Netzhaut-Melanin (5x russenfarbig, 2x Albino) Abnormalitäten der Sehbahn fest. Zum Vergleich wurden wild- (5x) und chinchillafarbige (4x) Tiere – mit normal ausgeprägter Sehbahn – herangezogen.
Collewijn et al., 197843) beschrieben eine Störung des okulomotorischen, d.h. die Augenbewegung betreffenden, Systems, bzw. einen horizontalen Nystagmus bei Albinos (5x New Zealand White, 4x „Polish“ albino), deren Gesichtsfeld künstlich eingeschränkt oder zusätzlich visuellen Bewegungssignalen ausgesetzt wurde. Diese Auffälligkeit sei möglicherweise erklärbar durch Veränderungen der Sehbahn. Abschließend wurde angemerkt, dass die Auswirkungen einer veränderten Sehbahn auf die okulomotorische Kontrolle bei anderen Arten, wie Katzen oder Menschen, weitreichender sein könnten.
Jeffery et al., 199744) beobachteten bei albinotischen Kaninchen (ZIKA, 3x), in Übereinstimmung mit früheren Studien, eine deutlich reduzierte Ganglienzelldichte im Bereich des horizontalen retinalen Sehstreifens, während bei transgenen (funktionelles Maus-Tyrosinase-Gen), pigmentierten ZIKA-Kaninchen (3x) eine Korrektur, d.h. eine normale Zelldichte nachgewiesen wurde.
Donatien et al., 200245) konnten keinen einfachen Zusammenhang zwischen dem Grad der Pigmentierung und der Ganglienzelldichte im Bereich des retinalen Sehstreifens feststellen (verwendet wurden: Holländer, 3x – vollpigmentiert; Champagne Argenté, 4x – leicht reduzierte Pigmentierung der Augen; Deutsche Riesen, chinchillafarbig (?), 4x, und Weiße Wiener, 2x – deutlich reduzierte Pigmentierung der Augen; Zika, 2x, und Weiße Neuseeländer, 2x).
Phänotypen (Beispiele)
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